Hormonanalytik bei unerfülltem Kinderwunsch


Ungewollte Kinderlosigkeit betrifft bis zu jedes 6. Paar und wirft viele Fragen nach dem Warum auf. Die gynäkologische Praxis dient dem Paar als wichtigster Berater, diagnostischer Partner und Lotse in der Abklärung – und ist damit auch kompetenter Ansprechpartner im Bereich der gynäkologischen Endokrinologie. Mit diesem Artikel wollen wir Ihnen einen Ein- und Überblick geben, wie und bei welchen Fragestellungen die Hormonanalytik Sie in der Ursachenfindung unterstützen kann.

Die Rolle der gynäkologischen Praxis bei unerfülltem Kinderwunsch

Nach einer aktuellen Untersuchung zur Prävalenz von Unfruchtbarkeit ist einer von sechs Menschen in der reproduktiven Phase seines Lebens irgendwann von dem Problem des unerfüllten Kinderwunsches betroffen. Laut WHO-Definition sind die Kriterien für die Diagnose einer Sterilität erfüllt, wenn trotz ungeschütztem Geschlechtsverkehr innerhalb eines Jahres keine Schwangerschaft eintritt. Die Ursachen sind vielfältig und häufig komplex. Frauenärzt:innen sind für das Paar mit unerfülltem Kinderwunsch der wichtigste Ansprechpartner und steuern die Stufendiagnostik zur Abklärung der Sterilitäts-Ursache(n).

Frauenärztliche Abklärung bei Kinderwunsch: ein Überblick

Fachgesellschaften zufolge können Mann und Frau gleichermaßen von Sterilität betroffen sein (zu je ca. einem Drittel), teilweise liegen auch sowohl männliche als auch weibliche Faktoren vor, oder die Ursachen bleiben unklar.

Die Abklärung weiblicher Unfruchtbarkeit erfordert eine sorgfältige Stufendiagnostik. Am Anfang steht die ausführliche Anamnese und eine allgemeine körperliche Untersuchung. Ungesunder Lebensstil (z.B. Stress, Rauchen, unausgewogene Ernährung) und Gewichtsprobleme (sowohl Untergewicht als auch Übergewicht) können Risikofaktoren für die Fertilität darstellen. Das Alter der Patientin hat ebenfalls einen großen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, da bereits ab einem Alter von 30 Jahren die Fruchtbarkeit stetig abnimmt.

Die transvaginale Sonographie stellt eine weitere wichtige Säule zu Beginn der Abklärung dar. Sie gibt Hinweise auf etwaige anatomische Veränderungen, die die Fertilität beeinträchtigen können wie z.B. Gebärmutterfehlbildungen, Uterusmyome, eine Endometriose oder polyzystische Ovarien. Sie ist aber auch neben der Hormondiagnostik wichtiger Bestandteil des Zyklusmonitorings.

Neben den bereits genannten diagnostischen Schritten wie der Anamnese und der Sonographie ist zu diesem Zeitpunkt eine basale Hormonanalytik essentiell in der Stufendiagnostik (siehe unten).

Je nach den Ergebnissen der Basisuntersuchung sollten dann im Verlauf ggf. eine weiterführende Hormonanalytik oder spezielle technische Untersuchungen angeschlossen werden. Im Rahmen der Stufendiagnostik kann auch, je nach Befund, insbesondere bei Infertilität, einer weiteren labormedizinischen Fachdisziplin, der Hämostaseologie, eine wichtige Bedeutung zukommen (siehe auch: 3 Fragen an Dr. Wittmann).

So unterstützt die Hormonanalytik die Ursachenfindung

Hormonbestimmungen sind in einer Vielzahl klinischer Fragestellungen rund um den unerfüllten Kinderwunsch essentiell. Allgemein ist zu beachten, dass die Hormondiagnostik für eine präzise Interpretation der Ergebnisse immer Hand in Hand mit einer ausführlichen Anamnese und einer gynäkologischen Untersuchung gehen muss. Für die meisten Fragestellungen erlaubt auch erst die Zusammenschau verschiedener Hormonwerte eine valide Aussage. Am Ende des Artikels finden Sie unseren gynäko-endokrinologischen Untersuchungsauftrag, der eine Übersicht enthält, welche Hormone bei welcher Fragestellung zielführend sein können. Weitere Informationen finden Sie natürlich auch in unserem Leistungsverzeichnis.

Die Basisuntersuchung für die meisten Fragestellungen umfasst die Parameter LH, FSH, Östradiol, Prolaktin, Testosteron, DHEA-S und SHBG sowie TSH. Hier sollte die Blutabnahme frühfollikulär (3. - 5. Zyklustag) stattfinden, da insbesondere LH, FSH und Östradiol stark zyklusabhängig sind. Bei klinischem Verdacht auf ein PCO-Syndrom (Syndrom polyzystischer Ovarien) oder ein adrenogenitales Syndrom (AGS) wird die frühfollikuläre Basis-Hormon-Bestimmung ergänzt um die Analyte Androstendion und 17-Hydroxy-Progesteron. Da es sich beim AGS um eine autosomal-rezessive Stoffwechselerkrankung handelt, kann zusätzlich je nach Ergebnis der Basisuntersuchung eine AGS-Genotypisierung erfolgen. Zur Abklärung der Lutealphasenfunktion können mid-luteal (ca. 7 Tage prämenstruell oder ggf. nach Sonographie zur Bestimmung des Ovulationszeitpunktes) der Progesteron- und der Östradiol-Wert bestimmt werden.

Eine sinnvolle Interpretation dieser Werte ist nur möglich unter der Kenntnis und der Einbeziehung folgender Informationen: Zyklustag oder Tag der letzten Periode, Medikamenteneinnahme (z.B. Hormonersatztherapie), Symptome, klinische Befunde (Sonographiebefund) und Vorerkrankungen (z.B. Zustand nach Hysterektomie). Ansonsten sind Fehlinterpretationen möglich, da je nach Befund gleiche Werte verschiedene Interpretationen zulassen. So kann ein erhöhter LH-/FSH-Quotient bei einer Patientin bei einer mid-zyklischen Blutabnahme physiologisch sein, während er bei einer frühfollikulären Blutabnahme als Hinweis auf ein PCO-Syndrom gedeutet werden kann. Des Weiteren können z.B. Progesteronkonzentrationen, die mit einer lutealen Hormonkonstellation nach erfolgter Ovulation vereinbar sind, auch bei einer Hormontherapie gefunden werden.

Neben der Diagnostik im Bereich der gynäkologischen Endokrinologie dient die labormedizinische Analytik auch der Abklärung weiterer endokrinologischer Erkrankungen wie z.B. Schilddrüsenerkrankungen oder Diabetes mellitus, die zu ungewollter Kinderlosigkeit beitragen können. Für die Überprüfung des Schilddrüsenstatus werden die Hormonwerte TSH und ggf. fT3 und fT4 bestimmt. Zur weiteren Differenzierung einer Schilddrüsenerkrankung können ergänzend die Schilddrüsenautoantikörper MAK (TPO-AK, Thyreoperoxidase-Antikörper), TAK (Tg-AK, Thyreoglobulin-Antikörper) und TRAK (Antikörper gegen TSH-Rezeptor) untersucht werden. Besteht der Verdacht auf eine Insulinresistenz, z.B. im Rahmen eines PCO-Syndroms, werden zur Berechnung des HOMA-Indexes (Homeostasis Model Assessment) der Insulin- und der Glucose-Wert jeweils nüchtern bestimmt.

Fazit

Die Hormonanalytik besitzt in der Ursachensuche weiblicher Unfruchtbarkeit einen hohen Stellenwert. Sie ist ein wichtiger Bestandteil in der Abklärung von Zyklusstörungen sowie der (Differential-)Diagnostik endokrinologischer Erkrankungen und sollte immer im Kontext mit einer ausführlichen Anamnese, den klinischen Befunden sowie einer gynäkologischen Untersuchung betrachtet werden. Weiterführende Informationen zu Fragestellungen und jeweils zielführenden Analyten finden Sie auf unserem gynäko-endokrinologischen Untersuchungsauftrag.




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